Goldgräber, Bier und Pfannkuchen
Untamed – ungezähmt. Der Slogan der Westküste ist dieser Region tatsächlich wie auf den Leib geschnitten. Der Küstenabschnitt entlang der Südinsel ist gespickt mit rauen Küsten, steilen Klippen, Sandflies. Unseren ersten Halt legen wir in Lyell ein. Von der einstigen Goldgräbersiedlung ist nichts mehr übriggeblieben, heute befindet sich hier ein hübscher Campingplatz. Wir joggen entlang eines Teils der hauptsächlich für Biker angelegten Old Ghost Road durch den Wald. Zwischen 1850 und 1900 entstanden hier einige Siedlungen aufgrund des Goldrausches. Am Wegesrand weisen uns Tafeln auf einstige Ortschaften hin. Wir können kaum glauben, dass sich hier, wo wir heute nur noch auf dichten Wald treffen, vor 150 Jahren ein blühender Ort mit grosser Schule, Postamt sowie Hotel befand. Ausserdem machen wir Bekanntschaft mit der an der Westküste allgegenwärtigen «Sandfly». Ihre besondere Fähigkeit: den nackten Quadratmillimeter an deinem Körper finden, welcher beim Einsprayen mit Antibrumm übersehen wurde, entsprechend verstochen sind wir bereits nach der ersten Nacht.
Unsere Route führt uns weiter nach Westport und in Richtung Norden nach Gentle Annie. Wir finden einen wunderschönen Campingplatz direkt am Meer und geniessen nach unserer Ankunft einen Spaziergang entlang der Küste. Direkt hinter der rauen Küsten mit ihren tosenden Wellen wuchert ein üppig grüner Regenwald, aus welchem ein wahres Orchester an Vogelstimmen erklingt.
Nach dem Aufstocken unserer Vorräte in Westport lädt uns das herrliche Wetter zu einer weiteren Joggingrunde entlang der Küste ein. Nebst einer Seelöwenkolonie und einem Leuchtturm sind es auch hier wieder die Farben von Meer, Himmel und Pflanzen, welche uns zum Staunen bringen. Wir lassen es uns nicht nehmen, vor dieser tollen Kulisse zu Picknicken, bevor wir mit Gloria weiter nach Süden entlang der wunderschönen Küste zu den sogenannten Pancake Rocks tuckern. Die Gesteinsformationen ähneln hier gestapelten Pfannkuchen, deshalb der Name. Ausserdem klafft ein riesiges Loch im Fels, um welches man herumspazieren und die tosenden Wellen von oben bestaunen kann, welche das Loch mit ihrer unvorstellbaren Kraft immer grösser werden lassen. Passend zum perfekten Sonnenuntergang über dem Meer brutzelt über dem BBQ-Grill Fleisch und Gemüse.
Den nächsten Tag verbringen wir mit einer Wanderung entlang des Pororari Rivers, welcher durch den dichten Dschungel ins Landesinnere führt. Schilder warnen uns davor, den Weg zu verlassen und damit möglicherweise in eines der klaffenden «Potholes» zu fallen. Wir unternehmen zudem einen Abstecher zu einem trockenen Flussbett mit einer Höhle, welche mitten im feuchten Wald liegt. Die Bäume lassen kaum Licht durchdringen und die Steine sind mit dichtem Moos bedeckt, sodass eine mystische Stimmung entsteht.
Das berühmt-berüchtigte regnerische Wetter der Westcoast begleitet uns in Greymouth. Doch wir finden die perfekte Aktivität für einen solchen Tag: Brauerei-Besichtigung. Wir lassen uns durch die Monteith’s-Brauerei führen und geniessen im Anschluss einige unterschiedliche Biere. Eine besondere Erinnerung können wir in Form einer Flasche mit einer ademerci.cyon.site-Etikette mitnehmen.
Arthur’s Pass
Nach Greymouth verlassen wir die Westcoast für einen Abstecher nach Arthur’s Pass. Innert kürzester Zeit gelangen wir von der üppigen Küste in ein regelrechtes Bergdorf. Wir besuchen den Wasserfall mit dem vielversprechenden Namen Devil’s Punchbowl, welcher mit seinen 131m tatsächlich ziemlich beeindruckend ist. Den zweiten Tag verbringen wir mit einer Wanderung zum Avalanche Peak. 1100 Höhenmeter auf 2.5 Kilometer sagen wohl schon genug aus, trotzdem möchten wir erwähnen: der Weg ist ziemlich steil. Doch wir finden Gefallen am Kraxeln über Steine und Wurzeln. Als wir auf dem Gipfel stehen, beginnt sich der Nebel zu lichten und der Blick über eine atemberaubende Landschaft wird frei. Die Landschaft ähnelt stark jener zu Hause, jedoch ist alles weitläufiger und einsamer. Bei uns würden wir uns wohl nach Gämsen, Steinböcken oder Adlern umsehen, doch immerhin ein neugieriger Kea gesellt sich zu uns. Vor den überaus intelligenten Bergpapageien muss man sich jedoch in Acht nehmen, denn alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird inspiziert und möglicherweise geklaut. Am Abend kehren wir an die Westküste zurück und gönnen uns zur Feier des Tages unser ademerci-Bier am idyllischen Lake Karniere.
Wasser in all seinen Formen zwischen Hokitika und Haast
Nahe des Lake Karniere besuchen wir die bekannte Hokitika Gorge mit ihrem milchig-blauen Wasser. Die Umgebung besteht hauptsächlich aus Farmland, man würde nie ahnen, dass sich dort eine Schlucht befindet. Es gibt einen gemütlichen Spazierweg mit einer Hängebrücke, von welcher aus man das spezielle Wasser betrachten kann. Die Nacht verbringen wir im kleinen Ort Hokitika, wo wir am Abend noch das sogenannte Glowworm Dell besuchen. Dabei handelt es sich um nichts weiter als eine besonders dunkle Ecke im Wald, wobei sich unzählige Glühwürmchen in den Gebüschen aufhalten. In vollkommener Dunkelheit sehen wir bläuliche Lichter aufflackern – ein besonderer Anblick.
Unser Weg führt uns weiter nach Okarito, einem kleinen Kaff am Meer mit einer grossen Lagune und einem tollen Campingplatz. Wir spazieren dem Okarito Trig Walk entlang zu einem Aussichtspunkt, von welchem aus wir einen ersten Blick auf die neuseeländischen Alpen werfen könnten, wenn denn die Wolken nicht wären. Unsere Zeit an diesem schönen Flecken Erde verbringen wir mit Frisbee-Spielen auf dem Rollfeld, Steinmannli Bauen am Strand, Grillieren auf dem Feuer und dem Betrachten eines unvergesslichen Sonnenuntergangs. Ein wahres Privileg, solche Freiheit geniessen zu dürfen.
Wie bereits erwähnt ist die Westküste berühmt für ihre Wetterkapriolen – bei dieser geografischen Lage kein Wunder. Doch uns erwischt es glücklicherweise nicht allzu schlimm und einen Regentag können wir perfekt mit den Glacier Hot Pools in Franz Josef überbrücken. Am Tag darauf brechen wir trotz morgendlichem Regen zu einer Wanderung auf, wie bestellt klart es im Tagesverlauf jedoch immer weiter auf. Wir klettern über rutschige Wurzeln und nicht enden wollende Felsplatten, in welche Tritte gehackt wurden, waten durch Wanderwege, die sich in kleine Bäche verwandelt haben. Es geht über schaukelnde Hängebrücken und tosende Bäche durch den Regenwald taleinwärts. Als wir oben beim Robert’s Point ankommen, erwartet uns ein blauer Himmel und ein atemberaubender Blick auf den Franz Josef Gletscher. Daneben ragen riesige Felswände in den Himmel, über welche Wasserfälle hinabstürzen. Nach den fast flachen Gletscher in Patagonien ergibt sich hier ein völlig anders Bild, der Gletscher beginnt auf über 3000 müM und fällt dann steil ab bis auf ca. 300 müM und praktisch in den Regenwald ab.
Den Abend und die Nacht verbringen wir wiederum am Meer an einem überaus idyllischen und wunderschönen Ort: Gillespies Beach. Der wiederum perfekte Sonnenuntergang färbt nicht den Himmel über dem Meer rot, sondern auch die höchsten Neuseeländischen Berge. Ein spezielles Gefühl vom Strand mit den Füssen im Meer auf Berge mit riesigen Gletscher zu schauen. Am nächsten Morgen jedoch gibt es eine frühe Tagwache, denn wir möchten den Sonnenuntergang am Lake Matheson verfolgen. Dieser See ist so glatt wie ein Spiegel und reflektiert die höchsten Berge Neuseelands perfekt. Es ist ein wunderschönes Naturschauspiel, welches wir beobachten können. Während die Sonne langsam aufgeht, ziehen einige Nebelschwaden vorüber und die Berggipfel werden in ein herrliches Licht getaucht. Danach besuchen wir den zweiten Gletscher der Region, den Fox Glacier. Dieser kann mittels kurzem Spaziergang erreicht werden. Vom unteren Teil des Gletschers ist leider nicht mehr viel übrig, den Franz Josef fanden wir um einiges spektakulärer, was aber sicher auch mit unserer Wanderung und dem damit verbundenen Ausblick zu tun hat.
Den letzten Tag an der Westküste verbringen wir grösstenteils in unserer Gloria. Bevor wir mit Haast den letzten Ort an der Küste erreichen, legen wir noch einen Zwischenstopp bei einer Lachsfarm ein. Wir decken uns mit frischen Filets für das Nachtessen ein. Von Haast aus führt der Haast Highway entlang dem Haast River ins Landesinnere. Wenn ihr glaubt, das war schon genug «Haast», dann müssen wir euch enttäuschen. Es folgt noch der Haast Pass, vor dessen Passhöhe wir zigmal anhalten um die unzähligen Wasserfälle oder eine Schlucht zu bewundern. Bei den Cameron Flats mit wunderbarem Ausblick über das Tal und in die Berge geniessen wir den leckeren Lachs und verbringen wir die Nacht, hoffentlich das letzte Mal mit unzähligen Sandflies…
Mit unserer Ankunft bei den Cameron Flats geht unsere Zeit an der Westküste zu Ende. Es war wohl gerade die Abgeschiedenheit und Ursprünglichkeit dieser Region, welche uns unglaublich gut gefallen hat. Dabei hat sich das Wasser als omnipräsentes Element gezeigt, welches uns auf der Fahrt entlang schöner Strände, steilabfallender Küsten, unzähliger Seen und Flüssen sowie schneebedeckter Gipfel mit ihren Gletschern begleitet hat. Der zweite ständige Begleiter entlang der Westküste sind die Sandflies. Eine Maori-Legende besagt, dass die schöne Landschaft sonst viel zu perfekt wäre und um das Gleichgewicht zu halten, wurden die Sandflies erschaffen. Viele Touristen fahren in wenigen Tagen die gesamte Westküste auf dem Weg Richtung Wanaka oder Nelson im Eilzugstempo durch, dabei bietet die Westküste viele wunderschöne und ruhige Plätze zum Verweilen.