Es gibt sicherlich einfachere Wege, in Patagonien von Nord nach Süd zu reisen, wir können uns aber keinen schöneren als die Carretera Austral vorstellen. Die Traumstrasse führt von Puerto Montt über ca. 1300km nach Villa O’Higgins, von wo aus ein Weiterkommen mit dem Fahrzeug unmöglich ist, denn dahinter wartet das südliche Eismeer (“Campo Hielo Sur”). Auf der Carretera Austral gibt es zwar öffentliche Busse, welche aber besonders ganz im Süden nur ein- oder zweimal pro Woche verkehren. Aufgrund dieser Abgeschiedenheit fühlt man sich in dieser Gegend wie in einem kleinen Dorf – jeder hilft dem anderen, die Leute sind freundlich und winken einem zu.
Coyhaique
Dies ist unser Einstiegsort in die Carretera Austral, da wir mit dem Schiff nach Puerto Chacabuco anreisen und dadurch die ersten Kilometer “verpassen”. Diese Durchreisestation ist der letzte grössere Ort für eine ganze Weile und so geniessen wir hier die Annehmlichkeiten von Cafés, Banken und grösseren Supermärkten. Unseren Tag hier verbringen wir mit Wandern im Reserva Nacional de Coyhaique, welches nur 4km ausserhalb der Stadt liegt. Erstaunlicherweise gibt es dorthin aber keinen Bus, weshalb wir zum ersten Mal auf unserer Reise nach dem Motto “Daumen hoch” reisen. Die Bereitschaft in dieser Gegend, jemanden mitzunehmen, ist sehr gross, denn bereits nach wenigen Minuten lässt uns jemand in seinen klapprigen Jeep einsteigen. Wir sind froh, ist die Strecke nicht allzu weit, denn das Auto scheint beinahe auseinander zu fallen. Der Wanderweg im Park führt auf einem Rundweg über Wiesen, durch einen wunderschönen Wald und zu schimmernden Seen, welche zum Verweilen einladen.
Villa Cerro Castillo
Da der einzige Bus des Tages bereits ausgebucht ist, versuchen wir uns erneut als Autostöppler – ausgerüstet mit einem wunderschönen Kartonschildchen stellen wir uns an den Stadtrand. Nach einer knappen Stunde Wartezeit hält eine freundliche Dame mit ihrem etwa 5-jährigen Sohn an und nimmt uns mit. Sie führt eine Bäckerei in Coyhaique und besucht ihren “Pololo” (chilenisch für Freund) in der Nähe von Villa Cerro Castillo. Mit ihrem Wagen rast sie um die Kurven, sodass wir von einer Seite zur anderen geschleudert werden. Kein Wunder müssen wir wenig später anhalten, damit sich ihr Sohn übergeben kann… Nach etwa 2h Fahrt steigen wir 10km vor dem Ort an einer Abzweigung aus und wandern einen Moment weiter, bis uns schliesslich noch zwei Maler bis nach Villa Cerro Castillo mitnehmen. Dort angekommen, hallen noch die Worte unserer Fahrerin nach “jaja, Villa Cerro Castillo ist sehr touristisch, da findet man alles”… Klar, es gibt touristische Einrichtungen, aber den Ort als sehr touristisch zu bezeichnen, ist doch etwas übertrieben. Wir übernachten in einem gemütlichen Dorm beim Campingplatz und besuchen etwas ausserhalb des Ortes einige Felsmalereien, bzw. Handabdrücke, welche bereits tausende Jahre alt sind. Später kaufen wir unser Abendessen im Minimarkt ein. Seine Auswahl beschränkt sich auf einige wenige Lebensmittel und mit Gemüse ist hier nicht viel zu wollen. Wir ergattern uns die letzte nicht bereits völlig vergammelte Peperoni als Vitaminlieferant. Am nächsten Tag wandern wir zur Laguna Cerro Castillo am Fusse des gleichnamigen Berges. Der Weg führt durch Wald, Sträucher und als wir schliesslich das Steinfeld erreichen, haut uns der Wind fast von den Füssen. Wir erklimmen einen kleinen Pass und diesmal haut uns die Aussicht von den Füssen. Das Blau der Lagune scheint von einer anderen Welt zu sein und der Cerro Castillo mit seinem eindrücklichen Gletscher ragt beinahe bedrohlich in den Himmel. Die Namensgebung können wir nun definitiv nachvollziehen, den Castillo bedeutet Schloss. Trotz Wind und Kälte verweilen wir an diesem magischen Ort und bestaunen den Berg, Gletscher und Lagune. Als dann im Hochsommer tatsächlich Schneefall einsetzt, wird es Zeit für den Abstieg. Weiter unten sammeln wir für das Frühstück am nächsten Tag einen Sack voll Calafate-Beeren. Es heisst, wer sie isst, kehrt nach Patagonien zurück. Uns soll’s recht sein.
Rio Puerto Tranquilo
Da bereits nach erstaunlich kurzer Wartezeit an der Strasse ein Bus anfährt, nehmen wir unsere Chance wahr und gelangen in etwa 2h über eine Schotterpiste von Villa Cerro Castillo nach Rio Puerto Tranquilo. Während der Fahrt zieht der Lago General Carrera sämtliche Blicke auf sich. Der zweitgrösste See Südamerikas, welchen sich Chile und Argentinien teilen, besticht durch seine wunderschöne blau-milchige Farbgebung und das üppige Grün an dessen Ufern. Am Tag nach unserer Ankunft gibt es eine frühe Tagwach, denn wir besuchen mit einem Kayak die berühmten Marmorhöhlen. Um 7.00 fahren wir gemeinsam mit einem Franzosen und dem Guide zu einer Bucht und nehmen dort unsere Kayaks in Empfang. Nach einer kurzen Einführung paddeln wir in etwa 30 Minuten zu den Höhlen im See. Die Gesteinsformationen wurden von Wind und Wetter geformt und sind absolut eindrücklich, dies auch dank des blauschimmernden Wassers des Sees. In diesen frühen Morgenstunden haben wir den aussergewöhnlichen Ort beinahe für uns alleine – wir lassen an dieser Stelle die Bilder sprechen.
Cochrane
Wir erwischen einen tollen Busfahrer von Rio Puerto Tranquilo nach Cochrane, denn er hält an mehreren Orten für einige Minuten an, damit wir aussteigen und Fotos von der eindrücklichen Landschaft schiessen können. In Cochrane verbringen wir den Tag mit – dreimal dürft ihr raten – Wandern! Auch hier gibt es ein Naturreservat vor den Toren des Ortes und auch hier ist ÖV Fehlanzeige. Eine Mitfahrgelegenheit suchen wir aufgrund mangelnden Verkehrs ebenfalls vergebens und so gibt es halt eine noch längere Wanderung. Die eigentliche Wanderung führt durch Gebüsch-, Gras- und Steinlandschaften oberhalb eines Sees und Flusses entlang. Die hier häufig vorkommenden Huemules (Andenhirsche) verstecken sich leider vor uns, dafür staunen wir einmal mehr über die Klarheit und Farbgebung der Gewässer und geniessen die Sonne (und vergessen den kurzen Regenguss) an diesem wunderbaren Ort.
Villa O’Higgins
Unser Buschauffeur war in seinem früheren Leben wohl Rallye-Fahrer: auf der knapp 300km langen Strecke von Cochrane nach Villa O’Higgins drückt er dermassen auf die Tube, dass wir fast zwei Stunden vor Fahrplan ankommen… Wir steigen aus dem Bus und fühlen uns am Ende der Welt. Der 500-Seelen-Ort am Ende der Carretera Austral war bis im Jahr 2000 nur per Flugzeug erreichbar und wirkt vollkommen ausgestorben. Das Wetter passt zu diesem gottverlassenen Flecken Erde: der Himmel ist grau und trist, es regnet immer wieder und der Wind bläst unablässig. Wir versuchen es trotzdem mit einer Wanderung zum Aussichtspunkt des Cerro Submarino, welche wir trotz des schlechten Wetters geniessen. Gian trotzt dem Wetter und steigt auf bis zum Gletscher des Berges, welcher sich zeitweise zwischen den Wolken zeigt. Auf dem Rückweg sammeln wir erneut einige Calafate-Beeren, welche wir in der warmen Stube des Hostels mit heisser Schokolade geniessen. Viel mehr gibt es in Villa O’Higgins nicht zu tun, bevor wir über die grüne Grenze nach Argentinien weiterreisen…
Tipps
Unterwegs auf der Carretera Austral
Zwischen Coyhaique und Cochrane ist Busfahren noch relativ einfach, es empfiehlt sich jedoch insbesondere für die Wochenenden Fahrpläne frühzeitig zu prüfen und allenfalls zu reservieren. Auf dieser Strecke gibt es auch noch einigermassen Verkehr, sodass man es alternativ mit Autostopp versuchen kann. Von Cochrane nach Villa O’Higgins gibt es nur zweimal pro Woche einen Bus, welchen man vorzeitig reservieren sollte. Wer es mit Autostopp versuchen will, sollte genügend Geduld mitbringen, denn es gibt kaum Verkehr (ein anderer Traveller, den wir getroffen haben, hat es zwei Tage lang vergeblich versucht).
Mit eigenem Fahrzeug fallen diese Probleme natürlich alle weg und man kann auch die unzähligen Orte besuchen, welche mit dem ÖV nicht zu erreichen sind.
Villa Cerro Castillo
Übernachtung: Senderos Patagonia – Campingplatz sowie Betten im Schlafsaal. Sehr gemütlich mit guter Küche. Das Personal weiss auch über die Wanderwege Bescheid.
Wanderung: Als Eintages-Tour können wir die Wanderung zur Laguna Cerro Castillo empfehlen, welche ca. 6h dauert. Da man durch Privatgelände geht, wird noch ein Eintrittsgeld von 5000CLP verlangt.
Villa O’Higgins
Übernachtung: Hostel Fitz Roy – die günstigste und beste Unterkunft, die wir entlang der Carretera Austral gefunden haben.
Puerto Rio Tranquilo
Wir können eine Kayaktour zu den Marmorhöhlen wärmstens empfehlen! Man hat viel mehr Zeit und kommt näher an die Formationen heran, als mit dem Boot. Wir waren mit 99 Aventura unterwegs und waren sehr glücklich mit unserer Wahl.
Kommentare
2 Kommentareandrea
Jan 19, 2017Level 2 vo “findet Irene” erfolgriech gmeischteret! 🙂
Lilo Hofer
Jan 19, 2017Hallo
Habe Irene gefunden 🙂 ! Hoffe, ihr findet noch viele tolle Orte für “Findet Irene”.
Geniale Bilder. Weiterhin eine gute Reise und liebe Grüsse aus dem winterlichen Chur Lilo