Das letzte bekannte Highlight auf der chilenischen Seite Patagoniens stellt für uns der Nationalpark Torres del Paine dar. Der nächst grössere Ort ist Puerto Natales, welcher unsere Basis für einige Tage darstellt. Puerto Natales mit seinen ca. 20’000 Einwohner liegt am Última-Esperanza-Fjord, alles in der Stadt ist auf den Torres del Paine Nationalpark ausgelegt, entsprechend findet man viele Hostels, Outdoor-Geschäfte und Agenturen.
Ursprünglich war unsere Idee, den 8-tägigen “O”-Trek zu wandern. Seit dieser Saison gibt es aufgrund der zunehmenden Touristenströme allerdings eine Reservationspflicht für sämtliche Campingplätze. Über zwei Monate vor unserer Anreise versuchten wir diese Reservationen vorzunehmen, es war jedoch bereits alles ausgebucht. Mit diesem Ansturm hätten wir nicht gerechnet! Wir haben deshalb unsere Pläne etwas umgekrempelt und unter anderem mehr Zeit in El Chaltén verbracht, was sich im Nachhinein als richtig herausgestellt hat.
In Puerto Natales angekommen, gelingt es uns, zwei Campingplätze spontan zu reservieren, wahrscheinlich hat jemand kurzfristig annuliert.
Base de las Torres
Unseren ersten Tag im Nationalpark widmen wir dem “Must-See”: dem Aussichtspunkt Base de las Torres, an dessen Lagune die berühmten Torres del Paine emporragen. Dafür nehmen wir den Bus um 07:30 Uhr von Puerto Natales. Nach etwa 1.5h Busfahrt erreichen wir das Eingangsgebäude des Nationalparks bei der Laguna Amarga, wo wir über das Chaos staunen. Da sämtliche Busse praktisch gleichzeitig ankommen, bildet sich vor dem Gebäude eine riesige Schlange. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns einzureihen und zu warten. Endlich im Gebäude angekommen, müssen wir ein Formular ausfüllen, in welchem wir unsere Daten und die Aufenthaltsdauer eintragen (dieses Formular konnten wir natürlich nicht bereits in der Schlange vorbereiten). Nächster Schritt: Zahlen der Nationalparkgebühr von 21’000 CLP (umgerechnet ca. 33 CHF – 3 Mal soviel wie Chilenen). Da wir zwei Tage später nochmals in den Park zurückkehren, müssen wir unser Ticket mit einem zweiten Datumsstempel versehen lassen und unsere Namen ergänzen. Zum Schluss werden wir in einen Raum geschickt, in welchem uns per Video die Grundregeln eines Nationalparkbesuchs eingebläut werden. Etwa nach einer Stunde haben wir das Eingangsprozedere überstanden, nun erfolgt eine Fahrt in einem kleinen Shuttlebus (für welchen natürlich noch einmal ein paar Pesos fällig werden) bis zum Ausgangspunkt der Wanderung. Endlich, nach über drei Stunden Odyssee sind wir bereit für die Wanderung.
Zuerst geht es einer Schotterpiste entlang bis zum Hotel “Las Torres”, dahinter beginnt der Trail. Zuerst sanft, dann etwas steiler und hinein in das Tal; ein erster schöner Blick auf die Torres eröffnet sich uns beim Camping “Chileno”. Der Weg führt taleinwärts weiter, bevor der steile Schlussaufstieg bis zur Lagune anfängt. Im steilen und teilweise unwegsamen Gelände streut sich die Spreu vom Weizen. Für uns wir der Aufstieg zu einer Geduldsprobe und einem Slalom durch die “Stolperer” hindurch. Doch bei der Lagune angekommen vergessen wir dies schnell wieder, der Blick auf die Torres del Paine bei blauem Himmel ist atemberaubend. Wir suchen uns ein doppelt geschützten Plätzchen: vor dem Wind und den vielen Leuten. Der Platz direkt an der Lagune gleicht einem Massen-Fotoshooting, einer nach dem anderen knippst sein obligates Selfie mit der Lagune und den Torres im Hintergrund. Wir sind uns stellenweise nicht mehr ganz sicher, ob wir uns tatsächlich noch in einem Nationalpark befinden oder nicht doch eher in Disneyland… Bei manchen Besuchern wird man das Gefühl nicht los, dass sie nicht Entspannung oder Idylle in der Natur und den Bergen suchen, sondern lediglich eine hübsche Kulisse für ein paar inszenierte Fotos, bevor sie umkehrt machen und zurück ins Tal stapfen – teilweise sogar auf allen Vieren.
Wir fokussieren unseren Blick wieder auf die eindrückliche Landschaft und können mit dem Feldstecher sogar zwei Seilschaften beim Klettern am mittleren Torre beobachten. Nach zwei Stunden ziehen Wolken auf und es wird kühler – Zeit für uns, den Abstieg in Angriff zu nehmen. Doch vorher geniessen wir noch die Flugshow der sechs Kondore, die über unseren Köpfen kreisen und einen ohrenbetäubenden Fels- und Eissturz unterhalb der Torres. Der Abstieg geht zügig voran, unterwegs lernen wir nochmals das patagonische Wetter kennen: Innerhalb von zehn Minuten wechselt es von blauem Himmel zu Regen und wieder zurück, sodass wir mehrmals anhalten müssen, um unsere Jacken an- bzw. wieder auszuziehen. Nach einem Nickerchen im Bus kehren wir spät abends nach Puerto Natales in unser gemütliches Hospedaje zurück.
Grey Gletscher und Valle Francés
Nach einem gemütlichen Tag in Puerto Natales kehren wir zurück in den Nationalpark. Da wir schon Tickets haben (die aber niemand kontrollieren will), wird uns die Warteschlange erspart. Damit wir nicht auf alle anderen Passagiere warten müssen, organisiert unser Chauffeur Sitzplätze in einem anderen Bus, der früher nach Pudeto weiterfährt, wo wir die Fähre nehmen möchten. Zum Glück gelingt das, so ergattern wir gerade noch die letzten freien Plätze auf dem Schiff, bevor weitere Massen aus den Bussen strömen. Erneut kommt das Gefühl auf, wie eine Zitrone ausgepresst zu werden: die Fähr-Tickets sind sündhaft teuer. Die Gesellschaft verfügt hier über ein Monopol und kann deshalb tun und lassen, was sie will. Als wir aus der Fähre aussteigen, vergessen wir dies und erfreuen uns an dem wunderschönen Wanderweg, welcher uns entlang herrlicher Seen und Wälder dem Grey Gletscher näher führt. Am Campingplatz schlagen wir unser Zelt auf und wandern noch etwas weiter dem Tal entlang, zwei mal über wackelige und wenig vertrauenerweckende Hängebrücken. Dem Weg entlang erblicken wir einen massiven Eisberg und betrachten den Grey Gletscher von oben. Nach unserer Rückkehr zum Zelt staunen wir nicht schlecht: eine Maus hat auf der Suche nach Essbarem ein Loch ins Zelt gefressen und hüpft nun frisch-fröhlich zwischen unseren Schlafsäcken umher! Ihr könnt euch wohl vorstellen, was für ein Kampf es ist, diese wieder herauszubefördern… Nach dieser ungeplanten Action schlafen wir trotz der Kälter wunderbar ein, bevor uns der Wecker um 04:00 Uhr aus dem Schlaf reisst. Wir geniessen und fotografieren den wundervollen Sternenhimmel – fernab von Zivilisation und der damit verbundenen Lichtverschmutzung.
Am nächsten Tag wandern wir bei perfektem Wetter und erstaunlich warmen Temperaturen zurück nach Paine Grande. Hier lassen wir unser Zelt und die grossen Rucksäcke zurück und wandern weiter zum Valle Francés. Die Landschaft präsentiert sich bei diesem Prachtswetter wie auf einem Silbertablett: spiegelglatte Seen, knorrige Bäume, üppig grüne Wiesen, schroffe Gipfel, glasklare Bergbäche und blendend weisse Gletscher. Auf der einen Talseite des Valle Francés thront der höchste Berg des Parks, der Paine Grande (2884 müM) mit seinem imposanten Gletscher, auf der anderen Seite stehen die Felszacken der “Cuernos del Paine” (soviel wie: Hörner von Paine). Nach einem Abstecher bis zum Aussichtspunkt Francés, an dem man einen tollen 360° Ausblick hat, kehren wir mit einigen Kilometern in den Beinen, aber fantastischen Eindrücken zum Campingplatz zurück, auf welchem wir eine ruhige Nacht verbringen. Tags darauf fahren wir mit dem Katamaran über den Lago Pehoé nach Pudeto zurück. Von dort wandern wir noch zum Salto Grande und zu einem Aussichtspunkt, von welchem wir über den Lago Nordenskjöld einen tollen Blick auf die sogenannten “Cuernos del Paine” haben. Deren Form ist bereits aussergewöhnlich, aber besonders stechen uns die unterschiedlichen Farben ins Auge, welche sich horizontal abwechseln und an ein Zebra erinnern. Während der Zeit im Bus zurück nach Puerto Natales, lassen wir die Tage im Park Revue passieren. Zwar gab es für uns im Park so manchen negativen Aspekt: Abzocke, Organisationschaos, Besuchermassen und fehlendes “Outdoor-Feeling” beim Campen, die unvergleichliche und wunderschöne Natur vermag dies aber wieder aufzuwiegen. Kurz nach unserer Ankunft in Puerto Natales beginnt es zu regnen: Petrus scheint in unserem Team zu spielen.
Tipps für den Nationalpark Torres del Paine
Übernachtung: Wenn du das “W” oder das “O” wandern willst, reserviere die Campingplätze frühzeitig, und damit meinen wir, mindestens 2 bis 3 Monate im Voraus. In Puerto Natales kannst du vor Ort bei den entsprechenden Anbietern ev. spontan freigewordene Plätze ergattern.
Alternativ soll der Campingplatz Pehoé sehr schön sein, von wo aus sich auch Tagesausflüge machen lassen – idealerweise aber mit einem eigenen Auto.
Transport: Fast alle Busse fahren um 07:30 Uhr beim Busterminal ab. Wir empfehlen, den einzigen Bus (Bus Sur) um 07:00 Uhr zu nehmen, so ist man beim Parkeingang am Anfang der Schlange. Unbedingt reservieren! Die Fahrpreise sind ca. 6’000 – 8’000 CLP pro Weg, bzw. etwa 12’000 CLP für Hin- und Rückreise.
Der Catamaran über den Lago Pehoé kann eine Geduldsprobe werden. Wer lange am Eingang anstehen muss, verpasst jene um 11.00 – bzw. sie ist bereits voll (deshalb Bus Sur…). Reservation ist nicht möglich. Genügend Kleingeld mitnehmen (einfache Fahrt 18’000 CLP, retour 28’000 CLP). Den aktuellen Fahrplan erhält man bei der Touristeninformation.
Allgemeine Empfehlungen:
- Bringe die 3 G’s mit: Geduld (mit der Organisation), Geld (für den teuren Transport und Eintritt) und Glück (beim Wetter und allfälligen Spontan-Buchungen)
- Wenn möglich in der Nebensaison anreisen (Oktober bis Dezember oder März/April)
- Ein Auto mieten und Tagesausflüge machen
- Mehrtagestreks in El Chaltén einplanen – hier geht alles unkomplizierter und direkt vom Ort aus (z.B. Torres und Fitz Roy oder Huemul)
- Falls du mit dem Bus in den Park anreisen willst, nimm Bus Sur um 07:00 Uhr (reservieren!)
- Campingausrüstung kannst du in Puerto Natales ohne Probleme mieten
Tipps für Puerto Natales
Übernachtung: Wir verbrachten mehrere Nächte in der Hospedaje Gloria, was sehr gemütlich und familiär war. Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad und leckerem Frühstück (mit selbstgemachter Rhabarber-Konfitüre) für 25’000 CLP. Reservation nur telefonisch (Esmeralda 440, +56 61 2 412 540).