Mit dem Chachani haben wir zwar bereits in Peru einen 6000er bestiegen, der Gedanke an die Besteigung des Huayna Potosí schwirrte jedoch bereits vor der Abreise in unserem Hinterkopf herum. Er ist zwar nur wenige Meter höher als der Chachani, die Charakteristik könnte aber unterschiedlicher nicht sein: Schutt und Geröll auf dem Chachani, Schnee und Eis auf dem Huayna Potosí.
Der Huayna Potosí liegt direkt vor den Toren von La Paz und kann in zwei oder drei Tagen bestiegen werden. Wir entscheiden uns für die dreitägige Variante und absolvieren dabei am ersten Tag ein zusätzliches Gletschertraining. Der erste Tag beginnt mit Material fassen: Steigeisen, Pickel, Helm, Klettergurt, warme Hosen/Jacken, dicke Handschuhe sowie “Plastic Boots”. Diese haben bereits einige Jahre auf dem Buckel und fühlen sich an wie alte ausgelatschte Skischuhe, erfüllen auf dem Gletscher jedoch ihren Dienst.
Richtig los geht es mit der Fahrt auf holprigen Strassen auf den 4700 müM gelegenen Paso Zongo, auf welchem das Base Camp liegt und wir die erste Nacht verbringen. Am Nachmittag steigen wir ca. 200 Hm bis zum Fusse des Gletschers hoch. Dort montieren wir die komplette Ausrüstung und vollführen einige kurze Übungseinheiten auf dem Geltscher. Am meisten Spass macht uns definitiv das Eisklettern – mehrere Male können wir eine fast senkrechte, rund zehn Meter hohe Wand am Rande des Gletschers hochklettern. Der Abstieg zum Base Camp gestaltet sich mit den “Plastic Boots” auf steinigem Untergrund etwas grobmotorisch, auf Schnee und Eis mit Steigeisen sind die Schuhe definitiv besser geeignet.
Nach einer erholsamen Nacht steigen wir am zweiten Tag die rund 500 Hm zum High Camp auf. Unsere gute Akklimatisation macht sich bezahlt, wir haben keinerlei Mühe mit der Höhe und erreichen bereits nach ca. 2 Stunden das High Camp. Im Gegensatz zu anderen Personen: einige sehen bei ihrer Ankunft schon ziemlich mitgenommen aus, zeitweise gleicht das Camp eher einem Lazarett als einer Berghütte. Am Nachmittag steht dann Relaxen auf dem Programm. In der Sonne ist es angenehm warm und wir bewundern staunend die faszinierende Gletscherlandschaft. In der Nacht stellen wir fest, dass die Steine vor der Hütte deutlich bequemer als die Matratzen in der Hütte sind… Entsprechend kurz und wenig erholsam ist die Nacht, wir können kaum ein Auge zutun. Dafür benötigen wir den Wecker um Mitternacht gar nicht, wir sind froh dass es nun endlich losgeht.
Auf den ersten Metern macht sich die kurze Nacht bemerkbar. Spätestens aber als wir nach ca. 30 Minuten den Gletscher erreichen und die Ausrüstung montieren, sind wir voll da. Im Dunkeln und bei teilweise sehr kühlen Temperaturen laufen wir stundenlang über den Gletscher. Zum Glück haben wir unseren Guide Sabino vor uns, welcher den Weg in- und auswendig kennt. Auf die Frage, wie viel Male er schon auf dem Huayna Potosí stand, antwortet er nur mit “nach 300 Mal habe ich aufgehört zu zählen”. Das einzige Licht, welches wir unterwegs wahrnehmen, ist die Beleuchtung der Städte La Paz und El Alto, welche den Himmel orange färben, sowie das Blitzgewitter über den gegenüberliegenden Bergen.
Der Gipfelhang verlangt nochmals volle Konzentration von uns, in kombiniertem Gelände aus Eis und Fels geht es die letzten Meter hoch auf den Gipfelgrat. Der Blick auf die aufgehende Sonne und die wärmenden Strahlen helfen uns auch dieses letzte Hindernis zu überwinden. Nach ca. 5 Stunden stehen wir auf dem 6088m hohen Gipfel des Huayna Potosí. Den Berg bezwungen zu haben und von dieser Höhe hinunterblicken zu können, ist ein unglaubliches und erhabenes Gefühl, welches wir trotz der Müdigkeit in uns aufsaugen. Die Aussicht auf die umliegenden Berge bei aufgehender Sonne ist atemberaubend. Da der Gipfel nicht sonderlich viel Platz bietet, machen wir uns nach ein paar Minuten bereits wieder auf den Abstieg. Im Tageslicht können wir nun erkennen, wo wir uns in der Dunkelheit hochgekämpft haben. Die Gletscherlandschaft ist äusserst eindrücklich. Riesige Gletscherspalten klaffen auf wie geöffnete, gierige Münde und Schnee und Eis bilden groteske Formationen in blau und weiss.
Nun macht sich langsam aber sicher der fehlende Schlaf bemerkbar – auch unser Koka-Blätter kauende Guide wirkt nicht mehr ganz so frisch. Nach einem Zwischenstopp im High Camp erreichen wir schliesslich das Base Camp, wo wir uns in die Autositze sinken lassen und es nur wenige Minuten dauert, bis die Augen zu fallen…
Am Morgen noch auf dem Gipfel und auf einsamen Gletscherlandschaften unterwegs, am Nachmittag bereits wieder in der Hektik von La Paz. Müde aber überaus glücklich, diesen wunderschönen Berg bezwungen zu haben, gönnen wir uns am Nachmittag den verpassten Gipfelschnaps und ein Nickerchen.
Kommentare
1 KommentarRoman
Nov 21, 2016Huara schön händers döt unne. Da gseht jo fascht scho us, wie s’ Füürhörnli im Winter. Nu de Iispickel fählt döt obe 🙂 .
Gruess, mache’s guet und hebed sorg
Reni und Roman