In La Paz buchen wir einen Flug nach Rurrenabaque im bolivianischen Urwald sowie drei Tage in der Lodge von Madidi Travel in Serere. Als wir am Flughafen in El Alto mit etwa zehn weiteren Personen zum Rollfeld begleitet werden, sind wir uns unserer Sache nicht mehr ganz so sicher. Ein klitzekleines Propellerflugzeug der Airline Amaszonas steht vor uns und uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als in die fliegende Sardinenbüchse zu klettern. Kaum sind wir eingestiegen, hebt das Flugzeug auch schon ab und eine Unterhaltung ist aufgrund der Lautstärke kaum mehr möglich. Plötzlich taucht am Fenster zu unserer linken eine riesige Bergflanke in unmittelbarer Nähe auf: der Huayna Potosi. Wir können gar die Route und zwei Bergsteiger beim Abstieg erkennen. Die Landschaft unter uns verwandelt sich mit rasender Geschwindigkeit. Geröll und Gletscher werden von undurchdringlichen Wäldern und sich schlängelnden braunen Flüssen abgelöst. Rund 45 Minuten nach unserem Abflug in La Paz landen wir auf einem winzigen Rollfeld in Rurrenabaque – passend zum Flugzeug also. Der Flughafen besteht aus einem ebenso winzigen Gebäude, weshalb wir auch schnell den Weg nach draussen finden.
Nach einigen Minuten Busfahrt erreichen wir das Zentrum des 12’000 Seelenortes und fassen im Büro von Madidi Travel Gummistiefel und Regenponcho in der Hoffnung, diese nicht zu benötigen. Kurz darauf finden wir uns auf einem Einbaum auf dem Rio Beni wieder, welchem wir für knapp drei Stunden folgen. Der Fluss ist beeindruckend und teilweise bis 300 Meter breit. An den Ufern entdecken wir einige Wasserschildkröten sowie Reiher und über unseren Köpfen kreisen grosse Greifvögel. Am Ufer werden wir von unserem Guide Roberto abgeholt, welcher uns zur Lodge begleitet. Auf dem Weg zeigt er uns Jaguarspuren vom Vortag.
Die Anlage der Lodge besteht aus mehreren kleinen Häuschen und einem grossen Haupthaus. Wir haben ein eigenes kleines Häuschen für uns allein, dessen Wände nur aus Netzen besteht und von dichtem Grün umgeben ist, aus welchem ununterbrochen Pfeifen, Zirpen, Gesang und Gekreische dringt. Während wir uns darin einrichten, hüpfen an den Bäumen bereits die ersten kleinen Affen umher und die nächste Überraschung blockiert den Weg zum Haupthaus: eine halbzahme Tapirdame möchte die Neuankömmlinge gründlich beschnuppern. Das Tier wirkt wie ein Fabelwesen und erinnert an eine Kreuzung aus Elefant und Schwein. In der drückenden Nachmittagshitze paddelt Roberto mit uns über den angrenzenden See und erläutert uns Flora und Fauna. Wir beobachten unzählige Vögel wie Reiher, Sereres, Papageien, Adler oder Falken sowie die aus dem Wasser spähenden Augen der Kaimane. Unglaublich laut hören wir die Brüllaffen rund um den See. Nach einem herzhaften Abendessen geht es bei Dunkelheit zurück auf den See. Im Schein der Taschenlampen erleuchten zahlreiche rote Augenpaare das Schwarz der Nacht: eine ganze Armada an Kaimanen lümmelt in Ufernähe im Wasser. Nach diesem eindrücklichen Erlebnis inmitten dieser Raubtiere (damit sind auch die lästigen Moskitos gemeint) kehren wir zu unserer Hütte zurück, welche sich in der Zwischenzeit in ein Terrarium verwandelt hat. Riesenheuschrecken, Geckos und andere Krabbeltierchen bevölkern Boden und Wände. In der Toilette hat sich gar ein Frosch eingenistet. Gott sei Dank verspricht das Moskitonetz über dem Bett eine angenehme Nacht. Die Geräuschkulisse des Dschungels im Hintergrund ist ein Erlebnis an sich, welches einem die Lage inmitten unberührter Natur in all seiner Pracht vor Augen, bzw. vor Ohren führt. Bei Tageslicht sind unsere Mitbewohner dann ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.
An unserem zweiten Tag brechen wir früh auf, denn zur dieser Tageszeit mit angenehmen Temperaturen sind die Tiere noch aktiver und lassen sich gut beobachten. Wir entdecken zusätzlich zum Vortag noch eine grosse Schlange, vermutlich eine Anaconda, welche sich gerade im Schlamm vergräbt, Baby-Kaimane und weitere farbenfrohe Vögel. Zurück beim Haupthaus können wir vor dem Frühstück weitere Yellow Monkeys und Kapuzineraffen aus nächster Nähe beobachten, welche sich elegant vom Baum zu Baum angeln. Nach diesem eindrücklichen Erlebnis gehen wir auf eine Wanderung. Dabei kommen wir an den riesigen Bäumen, Palmen, Sträuchern aber auch Bananen-, Ananas-, Mango- und Grapefruitpflanzen vorbei. Neben vielen Vögeln und Affen entdeckt unser Guide auch perfekt getarnte Schlangen.
Am Nachmittag stechen wir erneut mit dem Einbaum in See, diesmal um mit einer einfachen Nylonschnur und Fleischstückchen als Köder unser Glück als Fischer zu versuchen. Schlussendlich landen sieben Fische im Eimer, darunter Piranhas und Catfish. Am nächsten Tag werden uns diese Fische zum Mittagessen vorgesetzt – leider geben sie nicht allzu viel Fleisch her, schmecken aber doch lecker. Nach dem Fischen und Abendessen machen wir uns auf, um die Dschungelwelt bei Dunkelheit zu erkundigen. Wir begegnen einigen sonderbaren Tieren, welche abstossend und faszinierend zugleich wirken. Darunter eine riesige Spinne (und damit meinen wir wirklich riesig, mit Beinen von etwa 20cm) mit Klauenmund, einen Frosch, gross wie ein Gartenzwerg, Taranteln und andere grosse und kleine Insekten. Grössere nachtaktive Tiere wie zum Beispiel der Jaguar sind viel zu Scheu, um sich blicken zu lassen.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen, schüttet es wie aus Kübeln – immerhin authentisch im Regenwald und wir kommen doch noch in den Genuss, Regenponcho und Gummistiefel zu benutzen. Wir stapfen rüber zum Haupthaus, wo wir den Vormittag über bleiben. Bei diesem starken Regen lohnt sich eine Wanderung nicht, da die Tiere sich ebenfalls verkriechen. Als Alternativprogramm basteln wir aus Nüssen von Palmen Schmuck, was uns ebenso Spass macht. Nach dem Mittagessen müssen wir bereits die Rückreise antreten. Der Regen lässt langsam nach, doch der Rio Beni hat sich in ein Minenfeld aus Ästen und Baumstämmen verwandelt, durch welches sich unser Bootsführer kamikazemässig einen Weg bahnt. Heilfroh, in Rurrenabaque angekommen zu sein, buchen wir unseren Rückflug für den nächsten Tag und machen uns auf den Weg in ein Hostel. Am nächsten Tag frühstücken wir bei einem Franzosen, welcher vor über 18 Jahren ausgewandert ist und leckere Backwaren wie Croissants anbietet. Vom Flughafen in Rurrenabaque steigen wir wieder in ein kleines Propellerflugzeug, welches uns auf den letzten Metern vor El Alto heftig durchschüttelt, sodass unsere Mägen beinahe rebellieren. Wir kehren in unser Hostel in La Paz zurück und freuen uns auf unser nächstes Ziel: Sucre, die Hauptstadt und das Herz Boliviens.